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Die Vereinszeitschrift des Flamencokunst e.V.

Interessantes aus der Flamencowelt

18. Flamenco Festival Esch in       Luxemburg

 

Text: Chie Martin

Fotos: Peter Martin

 

Das diesjährige Flamenco Festival Esch fand vom 12. bis 25. Mai 2025 statt. Esch-sur-Alzette ist die zweitgrößte Stadt des Großherzogtums Luxemburg mit ca. 36.000 Einwohnern, sehr nahe der Grenze zu Frankreich.

 

Das Festival veranstalten die Kulturfabrik Esch zusammen mit dem Círculo Cultural Español Antonio Machado. Der Schwerpunkt des Festivals lag bislang immer beim traditionellen Flamenco. Aber dieses Jahr stellten die Organisatoren aktuelle Entwicklungen des Flamencos in den Mittelpunkt. Also Flamenco in Verbindung mit zeitgenössischen Ausdrucksformen.

 

Bis vor einigen Jahren konnte man zeitgenössische Produktionen regelmäßig im bekannten Flamenco Festival im Tanzhaus nrw in Düsseldorf erleben. Darunter Auftritte z. B. von Chloé Brûlé und Marco Vargas oder von Juan Carlos Lérida.

 

Israel Galván oder Andrés Marín oder Eva Yerbabuena begannen bereits in den 90er Jahren, zeitgenössische Einflüsse aufzunehmen. Aktuell erleben zeitgenössische Flamencoproduktionen eine Hochphase.

 

In Esch gab es insgesamt sechs Auftritte. Drei davon hatten keinen Flamenco-Gitarristen, zwei davon keinen Flamenco-Sänger. Stattdessen wirkten Percussionisten oder Allroundmusiker mit. Der Tanz war nicht improvisiert, aber sehr gut choreografiert. Die männlichen Tänzer sah man in einigen Szenen mit nacktem Oberkörper. Manchmal rollten sie sich auf dem Boden herum. Erzählen, Schreien, Singen gehörte ebenfalls zu üblichen Ausdrucksformen der Tänzer und Musiker.

 

Der Auftritt am ersten Abend „Pellizco“ von der Kompanie Iván Vargas war die einzige traditionelle Aufführung mit den drei Elementen Gesang, Gitarre und Tanz. Die Gasttänzerin Nazaret Reyes (Tochter von Juana Amaya und Cristóbal Reyes) war die einzige, die im Festival ein Tanzkleid (Traje de flamenca) trug.

 

Iván Vargas stammt aus der legendären Familie aus Granada, zu der u.a. Manolete, Mario Maya, Juan Andrés Maya und Juan Maya „Marote“ gehören. Das Tablao „La Cueva de la Rocío“ in Sacromonte ist sein Revier. Der Auftritt beinhaltete Soleá por Bulería, Malagueña/Verdiales, Seguiriya, Taranto/Tango de Granada, Cantiña und Bulería.

 

Der nächste Abend begann zunächst mit einem Gitarren Solo Konzert mit David Caro. Dann folgte das sehr faszinierende Bühnenstück „Deuteronomio 5: 8-10“ mit den zwei Tänzern Iván Orellana und Alberto Sellés. Der alttestamentliche Titel weist schon auf die christliche Religion als Hauptbezug des Stückes hin. Und in der Tat erkennen wir im Stück Referenzen und Elemente wie die Prozessionen der Semana Santa, der heiligen Woche, Büßergewänder oder die Statue Pieta, die die Gottesmutter Maria zeigt, wie sie den alten Körper Jesus Christi nach einer Kreuzabnahme auf ihrem Schoß hält.

 

Das zentrale Motiv in „Fragmentos de la Noche“ von Sara Jiménez ist der Apfel, ein grüner Apfel, der in Andalusien „el pero“ genannt wird. Er symbolisiert Einwände oder Kritik („pero“ heißt auf Deutsch „aber“). Die aufgesteckte offen Schere im Apfel symbolisiert die Zerschneidung oder Zerstörung dieser Kritik. Man findet dieses Symbol auf dem religiösen Fest in ihrer Heimat Granada, El Día de la Cruz, mit der Intention, negative Kritik an den Kreuzen zu vermeiden. In ihrem Stück verwendet sie diese Symbolik in einem gesellschaftspolitischen Kontext. Die Geschichte wurde temporeich inszeniert, daher kam auch nie Langeweile auf. Für die Produktion arbeitet auch Juan Kruz Díaz de Garaio Esnaola aus dem Baskenland, der Gastdozent an der Folkwang Universität der Künste ist.

 

Pasaje“ von der Kompanie Juan Carlos Avecilla zeichnet die Phasen eines Menschenlebens nach. Die Szene des Kinderspiels mit allen Künstlern war äußerst amüsant und die Darstellung der Geburt durch die zwei Tänzer in einem hölzernen Waschbottich war hervorragend. Die beiden jungen Sängerinnen haben auch einen guten Eindruck hinterlassen. Vor allem hatte Naike Ponce, die beim Latin Grammy 2020 nominiert wurde, ein starke Präsenz.

 

Der Highlight des Festivals der besonderen Art war „Baile de bestias“ von Jesús Carmona im Theater Esch. Er bekam schon zahlreiche renommierte Preise und ist sicherlich einer der besten Tänzer der Welt. Den Spitzentänzer begleitete der Allroundmusiker Manu Masaedo. Er singt Hip Hop und soll 20 verschiedene Instrumente spielen können. Jesús tanzte wenig Flamenco. Aber viele Zapateados, sogar auf einer kleinen Kiste. Seine Fußarbeit war extrem schnell und präzise. Auch Bühnenbild und Lichttechnik waren sehr gut. Der Wald wirkte schon sehr überzeugend.

 

Die Zuschauer waren sehr beeindruckt von dem hohen Niveau der auftretenden Künstlern. Die Liebhaber des traditionellen Flamencos vermissten allerdings die große Emotion, die sie bei dieser Art von Auftritten, nicht erreicht hat.

 

In der Tat, solche zeitgenössischen Tanzproduktionen sind nicht so leicht konsumierter. Man muss die Referenzen und den Kontext verstehen. Dieser kann sich in der Religion, Kultur oder Tradition eines Landes oder Gebietes abspielen. Auch wir benötigten nach den Stücken erst einmal ein paar Erklärungen von kundigen Personen. Die Kenntnis der spanischen Sprache hilft natürlich, um während des Stücks den Gesang oder die Erklärungen zu verstehen. Nichtsdestotrotz halte ich jede dieser Aufführung für sehr interessant, alles auf exzellentem Niveau und daher sehr empfehlenswert.

 

Neben den Bühnenaufführungen wurden Kinofilme gezeigt, u.a. „ Nueve Sevillas“ und es wurden Workshops angeboten für Gesang, Tanz und Gitarre. In Esch gibt es eine große Fangemeinde für Gesang. Dieser Kurs war am stärksten besucht.

 

Wir freuen uns auf das nächste Festival im Mai 2026.

 


Sombras - Premiere 16.9.2023

Fotos von Peter Martin und Paola Romano

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